Das Kleeblatt

Die Jungamsel Iri - Das Spatzenmädchen Ele - Tina der Buchfink und Mäxle der Unzertrennliche

Schon bald im Frühjahr kam eine Jungamsel zu mir. Sie war problemlos und ich hoffte sie bald wieder in die Freiheit entlassen zu können. Da ein warmer Frühling war, kam auch bald noch ein Stieglitz, der sich sehr intensiv an die Amsel anzuschmiegen suchte.
  Iri die Amsel und Ele der Spatz

Doch schon am nächsten Tag kam erneut Zuwachs, es war das Spatzenmädchen Ele das wir spät abends noch aus einem Schacht befreiten, wo sie bis zum Bäuchle im Wasser stand. Ele hatte sich sehr rasch den Platz bei der Jungamsel errungen und verteidigte ihn auch. Und so ging der Stieglitz notgedrungen seine eigenen Wege.

Es waren etwa 8 Tage vergangen, als gegen Abend ein Buchfink kam, der mit kleinen, schwarzen Ungeziefer über und über voll war.
Tina der Buchfink

Nach der Behandlung merkte ich wie geschwächt er war. Tina so nannten wir das Kerlchen, brauchte ein paar Tage bis es sich erholt hatte, aber dann wollte er auch zu den Andern und auch gleich zu der Amsel. Aber Ele gab die Amsel nicht mehr frei und so war Tina, wie zuvor auch der Stieglitz, schon zufrieden wenn sie nur in der Nähe geduldet wurde.

Ab und zu, wenn ich dabei sein konnte, durfte auch Mäxle sich dazu gesellen. Er war allerdings durch seine Behinderung recht unberechenbar und machte der Amsel Angst, obwohl er kleiner und nicht so behende war. Die kleinen Vögel nützten dies oft aus und machte Mäxle aggressiv.

Doch im allgemeinen war es ein schönes Miteinander und meine Pfleglinge gediehen gut ,so dass immer wieder einer von ihnen für die Freiheit fähig wurde und seinen Weg wählen durfte.

Es ist ein beglückendes, wenn auch im Moment, schmerzliches Gefühl, wenn sich ein Vogel in die Freiheit wagt. Doch wenn er sich dann in der ersten Zeit immer mal wieder zeigt und man spüren darf, dass er das Leben in Freiheit packt, überwiegt die Freude den Schmerz!

Ele der Spatz

Eigentlich waren die Vögel schon schlafen gegangen, doch ein Spatzenpaar schrie ihre Not noch lautstark in die Dämmerung. Als ich nachschaute merkte ich, dass unten im Schacht ein kleiner Babyvogel saß.

Es war unmöglich dass dieser kleine Kerl da heraus kommen konnte und zu allem stand er noch bis zum Bäuchle  im Wasser. Es blieb nichts anderes übrig als das kleine Wesen heraus zu holen.

Die Vogeleltern hatten sich inzwischen zurück gezogen als wir kamen und bis die Rettung beendet war, war es Nacht. Da das kleine Baby nass war und zitterte, nahm ich es zu mir und versorgte es.
Es war eine problemlose Aufzucht. Aber das Wasser hatte dem kleinen Vogelkörper schon geschadet . Es verlor all die zarten Federn am Bäuchle, was zur Folge hatte, dass es weit in den Herbst ging bis es gut befiedert war. Es war mir dann zu gewagt, es in den schon recht rauen Herbst zu schicken und so beschloss ich, es den Winter über noch bei mir zu lassen, zumal es auch keinen Zug nach draußen zeigte und sich sichtlich wohl fühlte.

Ele wieder schön befiedert

Nach dem Weggang der Amsel Iri hatte es sich mit Mäxle ( dem Unzertrennlichen ) angefreundet, trotz Verlust zweier Zehen.
Auch für Mäxle war es gut, nicht so allein bei mir zu sein.

Im Frühjahr strebte ich schon bald eine Abhärtung an und stellte Ele mit dem Käfig ans offene Fenster. Es gefiel Ele gar nicht im Käfig sein zu müssen und sie entwischte bei der erst besten Gelegenheit und landete draußen auf einem Baum.

Da es schon Nacht war, musste sie die Nacht draußen verbringen.

Am andern Morgen stand ich am Fenster und hielt Ausschau nach meinem Ausreisen - und siehe da - Ele flog über meinem Kopf weg, ins Zimmer und war für die nächste Zeit nicht mehr raus zu bewegen. Sie hatte jeden Tag für Stunden die Möglichkeit, denn das Fenster stand weit offen.

Als es dann wärmer wurde stellte ich Ele wieder im einem Käfig und Mäxle im zweiten Käfig, ans offene Fenster , so hoffte ich, Ele doch noch für die Freiheit zu begeistern.

Mit der Zeit machte sie dann tatsächlich einen kurzen Ausflug in den schon bekannten Baum, aber sie kam bald wieder zurück und ich schaffte es nicht sie raus zu werfen.

So entstand ein regelrechter Pendelverkehr zwischen draußen und drinnen. Ich denke, dass dabei auch die Liebe zu Mäxle maßgebend war.

Irgendwann konnte es auch schon mal sein, dass sie einige Tage ausblieb, aber dann saß sie wieder auf „ihrem Ast“ im Zimmer.

Dieses hier und dort ging bis in den September und dann blieb sie ganz da.
 Iri + Mäxle und oben auf dem Ast Ele

Kleinpapagei Mäxle- der Unzertrennliche

Mäxle wurde als behinderter Vogel geboren. Seine Füßchen standen seitlich vom Körper ab, so dass er praktisch nur auf dem Bauch liegen oder mit dem Schnabel am Gitter hängen konnte.

Er kam mit knapp 2 Jahren zu mir und ich hatte eine Idee - ich wollte dem armen Kerlchen helfen.
Am Anfang war er sehr aggressiv, er zwickte und wehrte sich so bald ich ihn nur anfasste – auch suchte er ständig irgendwo unter zu schlüpfen.

Mäxles Eltern

Ich versuchte zuerst, mich mit ihm anzufreunden und nahm ihn in meine behandschuhte Hand.

Als er merkte, dass mir sein Zwicken nichts ausmachte und ich lieb und ruhig mit ihm sprach, ergab er sich und entspannte sich mehr und mehr. .Dabei merkte ich, dass es wohl möglich war, seine Füßchen nach innen zu bringen und ich entschloss mich Maxis Füßchen bis zum Kniegelenk einzugipsen und auf einer kleinen Holzleiste zu fixieren. - Immer im Abstand von 2 Tagen rückte ich die Füßchen ein klein wenig weiter zusammen.

Er bekam seinen Platz in einem Körbchen. Von oben hängte ich Glöckchen und Perlen zum Spielen auf - Fressen und Trinken war in erreichbarer Nähe - sein Bürzel war frei um nicht im Kot zu liegen - soweit wäre alles gut gewesen - aber er wollte einfach nur untertauchen. Doch dieses, sein bisheriges Leben, wollte ich ihm, in dieser Versuchszeit, auch mit ab gewöhnen.

Mäxles Krankenbett

Am Anfang war es sehr schwer für Mäxle. Er konnte ja nicht verstehen, was das alles soll. Er biss und zwickte und ließ nichts an sich heran, aber meiner geschützten Hand machte das alles nichts aus. Auch sprach ich weiter recht ruhig mit ihm.

Mäxles Mama beim Brüten

Durch meine Zielstrebigkeit, gewann ich bald das Vertrauen meines aggressiven Vogels.
Wie freute ich mich, als er sich für das Spielzeug interessierte.
Zuerst war es noch recht aggressiv -  aber bald wurde es wirklich ein Spielen und von da an, genoss Mäxle  sein „krank sein“ sichtlich.

Inzwischen durfte ich auch meine Handschuhe weglegen und ihn graulen, dazu legte er sein Köpfchen so, dass ich an alle Stellen seine Kopfes kommen konnte. Sehr schnell merkte er, dass ich ihm helfen wollte und er nahm meine Hilfe an und reagierte sehr positiv auf die Behandlung

Mäxle mit seiner Behinderung

.Wir machten trotz Bandagen Flugübungen und schon bald merkte ich, dass er es gerne tat und es ihm auch gut dabei ging.

Nach einiger Zeit hängte ich ihm sein inzwischen liebgewonnenes Spielzeug, etwas höher, so dass er sich zum Spielen auf seine eng gestellten Füßchen stellen musste (diese Haltung war für die Muskulatur notwendig)

Nach etwa 14 Tagen war erster Gipswechsel. Das Ergebnis war gut, aber noch nicht dauerhaft und so bekam mein kleiner Freund nochmals einen neuen Gips für etwa 8 Tage.
( Gipsverband: eine Lage Watte und darüber einen Mullstreifen mit Mehlkleister )

Nach dieser Zeit war ich sehr zufrieden und nun begann die Gymnastik:- benützen und bewegen der Zehen - sitzen auf einer Stange..... Es war eine Freude mit welcher Energie und Ausdauer Mäxle übte und lernte!

Wie groß war erst die Freude als er das erste mal allein auf einer Stange saß, als er von einer Seite der Stange zur anderen Seite wechselte ( Als Stange suchte ich ihm einen Naturast mit vielen kleinen Astansätzen damit die Füßchen nicht so leicht auseinander rutschen konnten )

Wie stolz war er als er das erste mal flog und gut landen konnte.

Es war fast jeden Tag was Neues zu verzeichnen.

Das Schönste aber war wohl, wie Mäxles Wesen sich veränderte. Er wurde ein liebenswerter, zutraulicher und anhänglicher Vogel! Er brauchte seinesgleichen nicht mehr und er musste auch nicht mehr untertauchen, er fühlte sich in seiner Umgebung vollkommen zufrieden.

Mäxle verstand unglaublich viel und ohne Dressur machte er die tollsten Dinge . So musste ich ihn ja zur Gymnastik in meiner Hand auf den Rücken legen, dabei sagte ich zu ihm :“ so jetzt machen wir Heija“ und bald war das Wort für ihn Ansporn sich auf die Seite zu legen, wie ein Baby.

Das nächste war, dass er Bussi gab. Wollte er aber Bussi, stupste er mit seinem Schnabel an meinen Mund und war erst zufrieden wenn er tatsächlich ebenfalls sein Bussi erhielt. Sehr anmutig war, wenn er auf meiner Schulter saß und zeigte wie lieb er mich hat, dabei drückte er sein Köpfchen ganz fest an meine Wange oder an meinen Hals.

Was er nicht liebte war, wenn ich wegging und ihn allein ließ. Ja, da schimpfte er mit voller Lautstärke, so dass ich oft zurück gehen musste, um ihn zu ermahnen. Manchmal musste ich mein Lachen verkneifen, denn mich sehen und die Stimme zurück nehmen, das war eins - wenn ich dann sagte:“ noch leiser“, wurde er wirklich leiser bis ich mit ihm zufrieden war.

Manchmal durfte er auch mit – es war erstaunlich, wie still er sich verhielt – oft 1-2 Stunden lang, wenn er nur bei mir sein durfte. Wir hatten unglaublich viel Freude zusammen und Mäxle genoss sein neues Leben in vollen Zügen. Er wusste genau, was er wollte und konnte es auch klar zeigen.

Da ich immer wieder kleine Vögel zum aufpäppeln oder großziehen hatte, zeigte sich bei Mäxle eine Seite, die mich sehr beschäftigte. Mäxle war nicht eifersüchtig, war auch sehr lieb zu meinen Pfleglingen, aber so bald er glaubte, dass ich es nicht sehe, zwickte er blitzschnell zu - Bei dieser Gelegenheit hatte Ele das Spatzenmädchen zwei Zehen eingebüßt. - Ich merkte, er wusste, dass es nicht recht war und es war ihm auch leid und trotzdem piesakte er immer wieder. Was ging da in ihm vor?

Dass das Spatzenmädchen trotz Verlust zweier Zehen an Mäxle hing, war mir ebenfalls ein Rätsel. Sie liebte ihn über Alles, war aber unglaublich vorsichtig und wusste genau, wann es gefährlich wurde - auch war Mäxle durch seine Behinderung doch nicht so behende wie der Spatz und so konnte ich die beiden mit der Zeit sogar vorübergehend in einem Käfig zusammen lassen.

Mir gegenüber reagierte Mäxle unglaublich zart - er knabberte an meinen Fingern und wenn ich nur so nebenbei „Au“ sagte, ging er noch zarter mit mir um.

Anfang Oktober mußte ich für ein paar Tage verreisen und es blieb mir nichts anderes übrig als Beide mit zu nehmen. -

Die Reise ging gut, aber für Ele war es ein Schock, als am Zielort ein kleiner Hund am Käfig schnupperte. Ich versuchte sie zu beruhigen , aber die Angst war instinktiv sehr groß und so entwischte sie mal wieder bei der nächst besten Gelegenheit aus dem Käfig der auf dem Balkon stand . Und sie kam trotz Mäxles und meinem Rufen nicht mehr zurück. Die Angst muss zu groß gewesen sein!

Ele war ja die Freiheit gewohnt, doch war es für mich schmerzlich, sie in einem solchen Angstzustand zu entlassen und noch dazu in einer fremden Umgebung.

Es war zum Glück ein wunderschöner Oktober, aber darauf folgte Mitte November nasskaltes Wetter und ein kalter Winter.

Ich konnte nur hoffen, dass Ele einen guten Unterschlupf und auch einen guten Futterplatz gefunden hat!

Nun hatte ich nur noch Mäxle. Und wir hatten gemeinsam noch einige Jahre sehr viel Freude.

Doch eines Tages merkte ich, dass aus Mäxles Nasenloch Sekret kam. Zuerst dachte ich an eine Erkältung, aber sehr bald kam ein sehr starker Juckreiz hinzu. Ein Mittel vom Tierarzt brachte nur kurz Linderung und brach danach nur noch stärker durch. Am Kopf kam nun noch eine kahle Stelle dazu, die sich sehr schnell vergrößerte und sich wie ein Kranz um den Kopf zog. Ein Mittel gegen Milben brachte auch nichts, der Ausfall wurde immer größer. Ein paar Tage später, war das erste Nasenloch trocken, aber das zweite gab Sekret ab und wieder ein paar Tage später, wurde die Hornhaut am Schnabel schwarz. Mäxle war unsagbar tapfer, ich durfte ihm das Sekret aus dem Nasenloch tupfen - er drückte nur das Auge zu wenn es ihm sehr weh tat.

Mit der Zeit saß er sehr viel unten am Boden, flog nicht mehr gerne und man merkte, dass ihn alles sehr anstrengte. Er wollte immer ganz in meiner Nähe sein. Ganz schlimm war es bei Nacht. Ich hatte ihm nun wieder im Körbchen ein Nest gemacht und er nahm es gerne an. Das Körbchen stellte ich bei Nacht an mein Bett und wenn er unruhig wurde, brauchte er nur meine Hand zu spüren und alles war gut.

Inzwischen wurde mir klar, dass es dem Ende zu ging, obwohl er sich mit aller Energie dagegen wehrte.

In der zweitletzten Nacht gab er meine Hand nicht mehr frei - Am andern Morgen war er wieder der Alte – begrüßte mich mit voller Lautstärke und flog eine kleine Strecke. Da er keine Körner mehr fressen konnte, reichte ich ihm Weichfutter, das er mit sichtlichem Appetit fraß.

Tagsüber wechselte sich dann Schwäche mit Energie ab - ja er saß sogar immer wieder auf der Stange und erzählte mit kräftiger Stimme - Nachts aber lag er wie tot in seinem Nestchen. Am andern Morgen versuchte er nochmals seinen Schwächezustand zu überwinden. Er kam aus seinem Nestchen und begrüßte mich wie jeden Tag mit normaler Stimme.

Ich brachte ihm sein Weichfutter und er fraß gleich, er hatte scheinbar Hunger - aber plötzlich atmete er schwer und ich merkte, es ging ihm sehr schlecht.

Ich nahm ihn in meine Hand und sprach mit ihm - er schaute mich immerzu an und wurde ganz ruhig - hörte ich auf zu reden wurde er wieder unruhig.

Ich erzählte ihm, dass er mir viel Freude gemacht habe und dankte ihm dafür, - auch für seine Tapferkeit! - Er saß in meinen Händen wie in einem Nest und sah unentwegt zu mir auf, ganz aufmerksam - ganz ruhig.

Es wurde mir sehr schwer meinen kleinen, lieben Freund zu verlieren , aber auch ich wollte tapfer sein und so saß ich wohl eine halbe Stunde und sprach mit Mäxle und dann merkte ich - - „ das Leben war ganz still und leise weggeflogen“!

Mäxle saß noch immer da und schaute zu mir auf und diese Haltung behielt er bei.

Auch in seinem kleinen Grab saß er so.

Solange ich denken kann, werde ich wohl auch Mäxle nicht vergessen!