Sanco das Amselbaby und Coco der Wellensittich

Coco kam als schwer krebskranker Vogel zu mir. Laut Tierarzt hatte er nur noch 6-8 Wochen zu leben. Die Geschwulst am Flügel war sehr groß und er saß nur noch schwer atmend, müde und matt da und doch merkte man, er wollte leben.

Ich versuchte Coco einen Umschlag mit verdünntem Retterspitz zu machen. Er nahm es an und es schien gut zutun. Er bestimmte selbst die Zeit. - Als er unruhig wurde befreite ich ihn, und lies ihn in meiner Hand abkühlen. Als er trocken war setzte ich ihn in den Vogelbauer.

Er fraß ein paar Körnchen und trank viel und dann schlief er lange, lange. Ich machte mir schon Sorgen - Doch als Coco erwachte trank und fraß er herzhaft - und er pfiff nach langer Zeit zum ersten mal. - Welch große Überraschung!

Jeden 2ten Tag machten wir den Umschlag und es ging aufwärts, sogar die Geschwulst ging zurück. Coco wurde wieder ein liebenswerter Geselle und pfiff und sang den ganzen Tag! Allerdings lies er keinen anderen Vogel an sich heran, denn er hatte während seiner Krankheit sehr viel unter den anderen Vögeln leiden müssen, er wurde gehackt und geplagt.
Eines morgens brachten mir 2 Mädchen nach einer Gewitternacht eine sehr mitgenommene junge Amsel die aus dem Nest gefallen war. Nachdem ich alles was möglich war getan hatte stellte ich das Körbchen in die Nähe von Cocos Lieblingsplatz, damit durch das frohe pfeifen unser kleiner Patient wieder Lebenswille erhalte.

Als Sanco sich ganz durchwärmt und satt fühlte und auch gut geschlafen hatte hob er tatsächlich sein Köpfchen dem Sänger zu und auf einmal kam ebenfalls ein leises, zaghaftes piepsen und dies wiederholte sich. Coco und Sanco reagierten aufeinander, aber das war vorerst auch alles. Nach einigen Tagen hatte sich Sanco erholt und machte die ersten Flugversuche die unseren Wellensittich in Angst und Schrecken versetzten und es sah aus als ob die gegenseitige Annäherung nun wieder zunichte sei. Doch sobald unser kleiner Ruhestörer wieder im Vogelbauer war, sang auch Coco wieder munter weiter.

Sanco verstand sehr bald, dass seine Nähe Coco nicht lieb war und ging seine eigenen Wege. Sie unterhielten sich ohne sich zu belästigen.

Eines Tages versuchte Coco von Sancos Babynahrung und scheinbar war es für ihn ein Leckerbissen. Er überwand die Angst und näherte sich immer wieder Stück für Stück dem großen Vogel, der ihn dann wie selbstverständlich fressen lies. Es war ein ergötzliches Bild, der verängstigte kleine Vogel saß neben dem großen Amselbaby. Von da an war die Liebe vollständig. Sie saßen oft und lange nebeneinander zum Plauderstündchen.

Als Sanco dann anfing ganz leise vor sich hin zu singen so als ob er schon für später üben, saß Coco ganz andächtig dabei und lauschte.

Ein großes Problem war, Sanco für die Freiheit zu begeistern. Er war längst vorbereitet und hätte nach draußen ziehen sollen – aber so oft wir auch im Freien waren er hüpfte wieder mit zurück.

Einmal dachte ich, er packt es, als ein Schwarm Vögel über uns flog. Er schaute nach oben, zitterte am ganzen Körper, hob ab und flog - doch er drehte eine Schleife und kam wieder zurück.

Schweren Herzens gab ich Sanco dann in eine Familie mit einer Freilandvoliere. So musste er sich lösen - von Coco und von mir.

Er war etwa 8 Tage in dieser Voliere als eine andere Amsel immer in die Nähe kam. Man merkte bald, dass eine Beziehung zwischen den Beiden entstanden war. Als sich dann das Türchen öffnete flogen Beide gemeinsam in den nahen Park. Da Sanco nicht beringt war konnte man ihn nicht mehr von den anderen Amseln unterscheiden. Doch glaube ich, dass Sanco von der erfahrenen Amsel noch ganz in das Leben der Freiheit eingeführt wurde und gut bestehen konnte.

Coco war in der Zwischenzeit ebenfalls weiter genesen und war ein munteres Kerlchen. Doch als Sanco nicht mehr da war, suchte er wieder die Einsamkeit. Er schaffte es nicht nochmals Freundschaft zu schließen.

Etwa ein Jahr später zeigte sich die Geschwulst wieder. Es war in einer Zeit, da auch ich Schweres durchzustehen hatte. Scheinbar fühlen auch Tiere wie es dem Menschenpartner geht und leiden mit. Oft schon habe ich ergreifende Dinge erlebt wie Tiere auf ihre Art trösten - feinfühlig und taktvoll, so dass es uns Menschen manchmal beschämen könnte!