Sonny das Girlitzbaby und die Schwalbe Beggy

 

Ende August hörte ich stundenlang klägliches rufen von Babyvögeln. Beim ersten flüchtigen Nachschauen war Stille als ich in die Nähe kam. Beim zweiten Nachschauen sah ich einen Flügel und Federn am Boden liegen und so wurde mir die Situation klar.

Als ich weiter schaute, flog mir ein kleiner Winzling direkt vor die Füße – zwei Andere waren schon etwas größer und flogen auch schon und pickten mal hier, mal dort. Für sie schien es, daß sie sich selbst versorgen konnten, doch den Winzling mußte ich versorgen. 

Sonny nannte ich den kleinen Kerl, da schon so lange keine Sonne mehr zu sehen war und Sonny machte seinem Namen alle Ehre. Sie wurde ein richtiger Sonnenvogel!

Die Umstellung der Nahrung machte ihr keine Schwierigkeiten und Angst, nein das kannte sie nicht – sie nahm mich sofort an.
 Sonny in der Mehlwurm-box               

 

Schon nach dem dritten Schnabelsperren verstand sie und öffnete selbst das Schnäbelchen. Sie hatte immer Appetit und war nicht wählerisch. Und wie sie sich freuen konnte! Mit frohen, hohen Tönen und mit Flügelzittern begrüßte sie mich und als sie fliegen konnte, kam sie mir entgegen geflogen.

Sie wurde unglaublich zahm und anhänglich. In Sonnys Gegenwart zu schreiben war fast unmöglich. Sie saß vor mir auf meinem Blatt und fing die Schreibspitze. Genau so war es wenn ich etwas Handarbeiten wollte.

 Schickte ich sie weg, war sie kurz beleidigt, kam aber bald wieder. Vor Sonny mußte alles in Sicherheit gebracht werden sonst geschah irgend etwas. Entweder sie trug es weg oder sie zog und zerrte daran und freute sich wenn sie Fäden ausziehen konnte. Einmal hatte sie mir 30 Mehlwurmpuppen angebissen, als ich gerade das Futter für die Schwalbe richten wollte und das Telefon klingelte. Ein andermal schubste sie das neu gefüllte Körnerschälchen über die Tischkante als ich gerade noch was anderes weg räumen wollte. Ja sie hatte immer eine Überraschung vorrätig, vor ihr war wirklich nichts sicher.

Sonnys Appetit lies sie bald selbst fressen. Ich brachte ihr dann bald Wildsamen und Gräser  -  Hirtentäschel, halb reife und reife Holunderbeeren, Berberitzen, Hirse, Sonnenblumenkerne und Hanf. Auch Apfelstückchen liebte sie sehr. Sie begutachtete alles was ich ihr anbot und wählte dann aus.

Was sie sehr brauchte war Erde, denn sie saß mit Vorliebe in meinen Blumentöpfen und holte sich das Notwendige. Allerdings musste ich meine wertvollen Pflanzen gut in Sicherheit bringen da sie alle anknabberte.

Da die Kälte sehr bald einsetzte und Sonny doch verhältnismäßig spät geboren wurde wagte ich nicht sie zum Vogelzug in die Freiheit zu entlassen.

Als dann noch eine Schwalbe kam, waren es 2 Zugvögel und beide überstanden den Winter gut.

Beggy kam Ende September mehr tot als lebendig. Sie hatte die Augen geschlossen und zitterte am ganzen Leib, auch war sie übervoll mit Ungeziefer.

 

Als Beggy sich erholt hatte versuchte Sonny mit viel Mühe Beggy das Picken beizubringen, aber Beggy hatte mit der ganz anderen Art, der Nahrungsaufnahme, schon genug zu lernen und schaute Sonny nur überrascht zu.      

Als Sonny dann aber merkte, dass Beggy mehr Zuwendung bekam, wurde bald Neid aus der gegenseitigen Beziehung und sie jagte sie, wo es nur ging, so dass ich sie ab und zu einsperren musste, damit Beggy etwas Ruhe hatte.

Mit der Zeit liebten sie sich aber doch und suchten sich, wenn sie sich nicht sahen.

 

Beggy suchte sehr stark Sonnys Nähe. Sie beobachtete Sonny beim Baden und setzte sich in den Sprühregen von Sonnys Gepluster, sie versuchte ein paar mal auch das Baden, da sie aber nachher flugunfähig war lies sie es bald bleiben.

Das Körner picken versuchte sie auch und schaffte es mit der Zeit ganz gut. Es war allerliebst wenn sie mit Sonny auf dem Boden umher trippelte und verblüffend ähnlich ihre Stimme nachahmte.

Beggy wurde durch Sonny recht mutig und versuchte mit der Zeit sich ihr mit Gezeter und offenem Schnabel zu widersetzen, aber Sonny behielt immer die Oberhand und Beggy fügte sich dann doch.

 

Vom hohen Aussichtspunkt überschaute  Sonny Alles und sie fand trotz aller Vorsicht immer wieder einen Weg an irgend etwas Verbotenes oder an meine  gesicherten Pflanzen.

 

 Ein paar mal musste ich sie ganz gewaltig schimpfen, Ich hielt sie in der Hand und sie sah mich mit großen Augen an, es war das erste mal, dass ich wirklich verärgert war.

Von da ab wurde sie mir gegenüber sehr vorsichtig und lies sich auch nicht mehr gerne fangen. Sie kam zwar noch auf meine Schultern, oder musste mir bei bestimmten Arbeiten „helfen“, aber sie war sehr auf der Hut, vor allem aber, sie hatte sich gebessert!            

Ich richtete ihr ein paar Blumentöpfe in denen sie „arbeiten“ konnte, dafür schüttete ich den Rest des Schälchens hinein und es keimte bald und Sonny knabberte dann mit Wohlbehagen die zarten Keime ab, musste sie doch immer etwas zu tun haben wie eine viel beschäftigte Hausfrau.                                                                            

Sonny hatte sich zu einem prächtigen Vogel entwickelt. Sie zeigte auch kein Zugverhalten und kein Fernweh genau wie Beggy. Doch als im März die Sonne kam, war sie kaum mehr zu halten. Sie wurde unbändig und es zog sie andauernd ans Fenster.

Ich härtete sie am offenen Fenster ab und bald lies ich sie im Häuschen auch Nachts draußen, damit sie auch mit den Nachtgeräuschen vertraut wurde.

Mit einer Plüschkatze versuchte ich ihr beizubringen, dass nicht alles so lieb ist in  der Freiheit und sie auf Feinde achten und auf der Hut sein musste und sie hat es bald verstanden, denn die Katze sehen und wegfliegen war eins.

 

Was nicht ganz klappte war, sie von mir zu lösen. Ich durfte sie zwar schon länger nicht mehr fangen, aber sie flog mich noch immer an.

Als sich dann eines morgens das Türchen zur Freiheit öffnete, war sie sehr aufgeregt. Sie schaute mit langem Hals nach draußen  -  hopste mal kurz raus, kam aber gleich wieder rein  - ging ins Käfig und wieder raus  - flog ins Zimmer, ging wieder ans Fenster  -  holte sich ein paar Körnchen die schon vor dem Fenster standen und fraß sie genüsslich im  Zimmer. Diese Zeremonie ging etwa eine ¾ Stunde. In der Zwischenzeit wurde sie ruhiger und ging fast selbstverständlich vors Fenster und  -  sie fing an zu singen, -  breitete ihre Flügel aus und flog weg!

Es vergingen einige Tage und dann holte sie sich Körnchen vor dem Fenster. Ich durfte sehr nahe an sie heran, sie lauschte auf meine Stimme  - 

aber mehr wollte sie nicht mehr.

Mit  Beggy ging es besser als ich dachte, sie suchte sie zwar, sie flog hierhin und dorthin, war aber dann bald zufrieden und nahm es, wie es war. 

Beggy verkraftete an trüben Tagen gut, daß sie noch nicht raus  durfte, sobald aber die Sonne schien war es für sie recht hart und sie zeigte ebenfalls ihre Sehnsucht.

Wenn dann noch Sonny vor dem Fenster erschien, wurde sie ganz aufgeregt und machte durch ihr Gezwitscher klar, dass sie sie erkannte.

Beggy erkannte Sonny sogar, wenn ihr Käfig noch abgedeckt war und sie schwatzten wie gewohnt miteinander.

 

Sobald die Schwalben da waren, brachte ich Beggy in einen Stall, wo noch 2 Nester frei waren und Beggy nahm tatsächlich das Angebot an. Bald fand sich auch ein Partner und sie hatten ein volles Kindernest mit gesunden Jungvögeln..