Die Buchfinkenmenagerie
Flutschi - Flo – Dina – Benjamin
Schon ganz früh am Morgen brachte man mir ein Buchfinkenbaby mit der Anmerkung,
da müssten noch mehr im Gras sein. Die Frage ob die Vogeleltern noch da seien
wurde verneint. Baldmöglichst machte ich mich auf den Weg, um nach zu sehen. Als
ich an den Platz kam, sah ich sofort, dass ein Kampf stattgefunden hatte. Das
Nest war zerfetzt am Boden, teils noch am Ast hängend und viele Federchen lagen
umher. Es machte mich sehr betroffen!
Automatisch lockte ich in der Buchfinkensprache und beim zweiten mal kam ganz
leise und zart ein Stimmchen und dann kamen gleich noch mal zwei.
O Gott, eine ganze Menagerie, entfuhr es mir. Ich suchte und fand tatsächlich
drei kleine Babys die in alle Richtungen zerstreut waren und sich an einen Baum
oder in eine Bodenvertiefung drückten.
Als ich sie einsammelte und in meine Hand nahm, kuschelten sie sich ganz eng
aneinander, man merkte sie gehörten zusammen. Auch das erste das schon ein
warmes Nestchen hatte, drückte sich eng an seine Geschwister.
Doch nun war das Wichtigste ein warmes Nestchen für Alle und Futter.
Zuallererst noch ein flüchtiges Nachschauen, ob Verletzungen oder sonstige
Auffälligkeiten da waren und dann hinein ins warme Nest. Und nun das Füttern!
Alle 4 gierten und sperrten die Schnäbelchen auf – o je, das wird ja heiter!
Das Füttern – Eines nach dem Andern |
Natürlich hatte ich nicht so viele frisch gehäutete Mehlwürmchen, aber meine
Pfleglinge waren nicht wählerisch. Ich schaffte es sogar bei einigen den Wurm
rechtzeitig in den Schnabel zu bringen.
Doch nun zeigte sich ein weiteres
Problem, da sie unaufhörlich gierten wusste ich nicht ob eventuell eines noch
nichts hatte .
Nein so ging es nicht, ich musste mir was einfallen lassen und ich hatte eine
Idee. Ich musste jedem Baby ein andersfarbiges Bändchen an den Fuß machen, dazu
ein Behelfsnestchen. Als die nächste Fütterung kam, zeigte es sich, dass dies
ideal war. Ich fütterte ein Baby und setzte es dann in das 2te Bettchen, so
kamen sicher alle dran. Zu meiner großen Freude waren alle gesund,
unproblematisch und gediehen gut.
Am Abend suchte ich noch für jeden einen Namen. Mit letzterem klappte es noch
nicht ganz – manche mussten noch ein paar mal geändert werden je nach Art und
Temperament wie z, Beisp. bei Flutschi und Flo!
Die Zeit der Aufzucht machte weniger Mühe als ich mir vorstellte, aber sie
machte unsagbar viel Freude und brachte viele Überraschungen. Ich hatte da ein
Völkchen voll Energie und Übermut. Ich glaube die Vogeleltern wären stolz auf
sie gewesen. Sehr bald blieben sie nicht mehr brav in ihrem Nestchen und ich
musste das Käfigoberteil überstülpen. Das Füttern war nun wieder eine neue
Herausforderung, aber die Farbbändchen waren sehr hilfreich.
Jeden Tag gab es etwas Neues, denn bei Vögeln ist es genau wie bei kleinen
Kindern, was der eine macht, macht auch der Andere, oder was der Eine nicht
weiß, weiß der Andere. So saßen sie eines Morgens alle fünf ganz eng aneinander
gedrückt auf dem Stängchen und jedes wollte zu erst gefüttert werden, jedes
wollte zu erst seine Streicheleinheit und es gab kleine Streitereien......
3 von den vier Buchfinken |
Als sie dann das Fliegen übten, da war
vielleicht was los, jedes versuchte mich anzufliegen. War ich gerade bei einer
Arbeit, war ich plötzlich umschwärmt und umringt und ich musste aufpassen, dass
ich nicht einen der auf dem Boden landete, verletzte. Das letztere war aber nur
an einem Tag ein Problem, denn sie lernten unglaublich schnell das Fliegen.
Aber nun wurden sie sehr neugierig – alles wurde untersucht, hinter alles musste
man schauen, alles ausprobieren - da wurde es manchmal schon fast gefährlich.
Einmal fehlte Flo - ich rief, pfiff und meinte auch etwas zu hören, aber meine
kleine Bande war ja nicht ruhig zu halten und so lockte ich sie alle ins Käfig,
nur Benjamin durfte bei mir sein.
Ich suchte, suchte und Bejamin begriff - er flog einen Platz an, flog zu mir und
wieder an den Platz, bis ich begriff. Ich stand vor einem Schränkchen, das etwa
zwei Finger breit von der Wand entfernt stand und da rutschte Flo hinunter und
konnte sich nicht retten und auch nicht antworten, da er eingequetscht war. Nach
seiner Errettung war er ein paar Tage „der Brävste“ von allen.
Nun sah ich auch die Zeit gekommen, die Vögel für die Freiheit zu rüsten,- sie
vor den Vierbeinern zu warnen und sie auf große Raubvögel aufmerksam zu machen.
Letzteres ist scheinbar bei den meisten Vögeln schon im Instinkt vorhanden. Auch
musste ich ihnen Abstand vor den Menschen und auch von mir lernen. Das Letzte
war wohl das Schwierigste der ganzen Aufzucht.
Doch eines Tages war es dann soweit. Der große Käfig stand schon längere Zeit
vor dem Fenster, aber nun ging das Türchen nach draußen auf . Zuerst kletterte
einer aufs Käfigdach, dann kamen zwei nach. Als dann einer in den nahen Baum
flog, kamen alle drei nach. Oft suchten sie noch das Käfig auf , aber dann gings
wieder in den Baum. Kam ich zwischendurch dann noch ab und zu mit dem Futternapf
zu ihnen raus, waren sie alle da, flogen mir auf Schulter und Arme und jedes
wollte zuerst was haben.
In der ersten Zeit waren sie nur in der Nähe und wenn ich pfiff waren sie wie
der Blitz bei mir. Sie gingen auch schon mal ein Stückchen mit mir spazieren,
kehrten aber schon bald wieder um, in ihre bekannte Umgebung.
Ein Bild bleibt mir wohl immer lebendig -- Ich stellte mich an den Baum vor
unserem Fenster und pfiff und da kamen sie angesaust - Ich hatte ein Schälchen
mit Mehlwürmer in der Hand - sie setzten sich alle nebeneinander auf den Ast,
sperrten die Schnäbel wie einst als Baby und zitterten vor Freude und Erwartung
mit den Flügeln. (Zufällige Gäste haben das Ganzen gefilmt, schade dass ich
damals das Ergebnis nicht erbat.)
Mit der Zeit lösten sie sich mehr und mehr, gaben aber immer noch Antwort vom
Baum her. Auch kamen sie noch oft, sehr nahe an mich heran geflogen, aber doch
mit einem bestimmter Abstand. Ich war trotzdem recht glücklich, sie fanden sich
in der Freiheit zurecht!
Ein Buchfink hielt mir über ein Jahr die Treue, er setzte sich sehr nahe vor mir
auf den Boden oder einen Ast. Nach ein paar lieben Worten und manchmal auch
einen kleinen Leckerbissen erhob er sich und flog wieder weg, aber auch auf
meinen Pfiff kam er noch oft.
Im Winter war er mein Gast am Fenster. Aber ins Zimmer kam er nicht und auch aus
meiner Hand nahm er nichts mehr, doch wenn ich es hinlegte schnappte er es sich
und wartete auf mehr.