Die drei Drosselbabys
Chef – Kifra –und Benni

Am 1. Mai stand vor meiner Türe eine Schachtel mit Luftlöchern und regem Innenleben.

Es waren drei Drosselbabys.

Da ich den ganzen Tag weg war, waren die zwei kleinsten schon recht matt, aber nach einigen kräftigen Mahlzeiten kam wieder Leben und Energie in die kleinen Wesen. Danach war die Aufzucht problemlos und die Verdauung gut. Die Entwicklung verlief normal bis auf Bennis Flügelfedern.

Am 12. Mai durften die Drei zum ersten mal ins Freie. Ich setzte sie in einen etwa 1 ½ Meter hohen, ausladenden Busch, wo sie auch brav sitzen blieben, denn es war noch ein Problem für sie von einem Ast zum andern zu kommen. Als ich dann nach ihnen schaute und was zum Fressen mitbrachte, stellte sich erneut das Problem: wie kommen wir runter?

Aber der Hunger half dieses Problem zu lösen, sie ließen sich einfach mir entgegen fallen und merkten, dass die Flügel sie auch draußen trugen!

Am zweiten Tag ging es schon besser und der Busch wurde von Ast zu Ast erkundet. Es war lustig der Chef unternahm die Erkundung und die beiden Anderen rückten nach.

Am dritten Tag gingen sie auch schon mal eigene Wege, aber immer noch nah beisammen. Jeder Tag brachte was Neues für sie und sie wagten immer etwas mehr.

Leider hatte Benni, wahrscheinlich durch das lange Hungern eine Mangelerscheinung –

5 Flügelfedern entwickelten sich nicht recht und vertrockneten, was für Benni bedeutete, daß sie nicht hoch fliegen konnte.

Ab dem 20 durften die Drei auch schon Nachts draußen bleiben. Die Entscheidung war nicht leicht für mich wegen Bennis Behinderung. Ich wollte sie aber nicht voneinander trennen, da sie unglaublich zusammen gewachsen waren und Benni sich im Busch recht geschickt bewegte und auch sehr wach auf Geräusche reagierte.

Es war sehr bewegend zu beobachten wie die zwei größeren sich um Benni kümmerten. Sie ließen den Kleinen nie im Stich, ja sie machten regelrechten Schichtdienst - einer hatte Freiflug und der Andere blieb in der Nähe von Benni und bekam dann am andern Tag frei. Ich war verblüfft und eigenartig berührt, als ich dies über 8 Tage beobachtet hatte.

Die Drei waren überhaupt ein Völkchen für sich und waren unglaublich anhänglich und zahm auch noch im Freien. Sobald ich sie rief, antworteten sie mit frohen Babystimmchen und überschlugen sich fast vor Freude.

Sie rannten und flogen mir entgegen und sperrten ihre Schnäbel, es war zu schön, wie sie da um mich herum standen, oder mir auch auf Schulter und Arm flogen und sich das Futter schmecken ließen. Mit der Zeit musste ich auch ganz schön hart werden, damit sie sich zum Futtersuchen bewegen ließen.

Der erste Wurm wurde probiert und wieder fallen gelassen, so ging es 3-4 mal. Als ich dann den Wurm in meine Hand nahm und ihnen reichte, war dies ein Leckerbissen!

Am andern Tag brachte der Chef einen riesigen Wurm. Kifra an einem Ende, der Chef am andern Ende zogen und zerrten und würgten – (wie die Hühner bei Max und Moritz) –und mir blieb nichts anderes übrig als mit Todesverachtung den Wurm zu teilen; so hatten Beide was.

Für Benni suchte und fand ich dann auch noch Einen.

Bennis Leben war leider recht kurz. Am 23. nachmittags kam er auf mein Rufen nicht. Der „Diensthabende“ war sehr schreckhaft und so ahnte ich gleich, dass etwas nicht in Ordnung war. Als ich dann noch eine Katze umherstreifen sah und beide Drosseln in den Busch flüchteten, war mir klar was geschehen war.

In den beiden Zurückgebliebenen ging eine große Veränderung vor sich - sie flogen nun gemeinsam große Strecken, kamen aber noch lange Zeit auf mein Rufen zurück. Der Chef fand es bald unter seiner Würde sich in den Schnabel füttern zu lassen, bettelte aber lautstark noch um Futter, das ich dann auf den Boden legen musste.

Kifra ließ sich nach wie vor noch gerne verwöhnen. Sie zeigte mir auch alle Errungenschaften z. B. wie sie Baden oder selbst einen Wurm suchen konnte – dabei flog sie ein kleines Stückchen von mir weg um es mir zu zeigen und kam danach wieder um ihr Lob abzuholen.

Am 28. waren Beide am Morgen nicht da und auf mein Rufen kam keine Antwort. Ich machte mir schon Sorge, dass es ihnen wie Benni ergangen sei, aber am Nachmittag antworteten Beide lautstark auf mein Rufen und kamen mir entgegen und schwatzten, schwatzten... Der Hunger war Nebensache - Wunderbar! - sie fanden Futter und wurden Selbständig.

Am 29. merkte ich, dass die Beiden sich nun auch gegenseitig entfernten. Sie waren selten mehr beisammen und verjagten sich gegenseitig an der Futterstelle, der Futterneid war unübersehbar. Auch am Badeplatz gab es oft einen Kampf, den der Chef natürlich immer gewann. Das schön gemusterte Brüstchen wurde fahl und die ganze Haltung zeigte „ junge Erwachsene“.

Auf mein Rufen reagierten sie noch immer und ich durfte auch noch ganz nahe zu ihnen gehen, aber anfassen oder fangen durfte ich sie nicht mehr. Sie liebten noch immer den Kontakt mit mir, aber nun mit Abstand. Ich konnte dies gut und gern respektieren, war dies doch ein Zeichen, dass sie sich zurecht fanden und sich gut fühlten und auch für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen konnten.

Auch wenn es mich etwas wehmütig machte, dass dieser paradiesische Urzustand nun zu Ende ging, machte es mich auch glücklich, dass die Beiden sich gut zurecht fanden in ihrer eigentlichen Welt!

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